Auf dem Weg zur Arbeit hörte ich dieser Tage ein Radio-Interview mit einem Politiker, der behauptete, dass die Euro-Problematik grundsätzlich auf die massiven, einseitigen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands zurückzuführen ist. Mit Blick auf unseren Exportüberschuss scheint Deutschland in der Tat einen guten Job zu machen. Unsere Produkte sind nicht nur qualitativ hochwertig, wir können sie auch noch im Vergleich zu unseren Wettbewerbern lohnkostenseitig günstig anbieten. Unser Leistungsbilanzüberschuss gegenüber den Euro-Ländern ist gleichbedeutend mit einem höheren (Nettoauslands-) Vermögen. Es geht uns besser, wir können uns mehr leisten.
 
Die Kehrseite der Medaille sind leider die EU-Länder mit korrespondierenden Leistungsbilanzdefiziten. Diese haben sich seit dem Bestehen des gemeinsamen Währungsraumes weiter verschärft, da Abwertungen nicht mehr als volkswirtschaftliche Sorgenpausen zur Verfügung stehen. Dabei war privates Kapital aus Risikoüberlegungen immer weniger bereit, diese Defizite zu für die Länder tragbaren Konditionen zu finanzieren. Und da die nationalen Finanzpolitiken konjunkturstützend in die Bresche springen mussten, stiegen die Zinsen noch weiter an. Die Staatsschuldenkrise war geboren.
 
Die unselige Schuldigensuche
 
Und schuld daran ist nur…Deutschland. Und jetzt, wo der Schuldige ausgemacht ist, hat er als Verursacher auch für Abhilfe zu sorgen. Die dringend nötige Zinserleichterung für die Euro-Länder, in denen die Zitronen blühen, soll - wie viele meinen - über gemeinsame Eurobonds kommen. Und zur weiteren Sühne, so wird auch vorgeschlagen, sollen wir unseren Leistungsbilanzüberschuss mit Brachialgewalt brechen. Wie wäre es mit einer massiven Lohnsteigerung über alle Branchen hinweg, von sagen wir 15 Prozent? Das bedeutet mehr Kaufkraft. Leider ist nicht ausgemacht, dass wir davon mehr Rotwein, Camembert oder Südfrüchte einkaufen werden. Ausgemacht ist aber, dass wir über diese massiv steigenden Lohnstückkosten den volkswirtschaftlichen Löffel abgeben. Und unsere Autos reihenweise als Montags-Fahrzeuge zu bauen, scheidet aus verständlichen Gründen wohl auch aus.
 
Die volkswirtschaftlichen Kuschelecken aufgeben
 
Gibt es denn vielleicht alternative Maßnahmen zur Behebung von Leistungsbilanzdefiziten? Ja! Wie wäre es denn einmal mit eigener Leistungsanstrengung, für die man damals nach Einführung des Euros und den damit verbundenen windfall profits keine Notwendigkeit sah. Auch Deutschland musste einen harten Anpassungsweg gehen und mit Agenda 2010 und Hartz IV so manche lieb gewonnene Kuschelecke aufgeben.
 
Jetzt sind die anderen dran. Die verkrusteten Standortbedingungen müssen zügig aufgebrochen werden. Hier kann kein noch so herzlich gemeintes Konjunkturprogramm Abhilfe schaffen, das angesichts der veralteten Produktionsstrukturen so wenig Erfolg hat wie ein Samenkorn, das auf unfruchtbare Erde ohne Bewässerung fällt. Die Arbeitsmärkte, die in vielen Ländern so beweglich wie Eisenbahnschwellen sind, müssen liberalisiert werden. So wird in Spanien de facto niemand arbeitslos, der Arbeit hat, aber auch kaum jemand mit noch so guter Ausbildung eingestellt, es sei denn bei Burgerketten. Erst mit Abarbeitung der volkswirtschaftlichen Handicaps werden diese Länder als Standorte wieder interessant. Und dann kommt auch die volkswirtschaftlich sinnliche Nahrungskette erneut in Schwung: Nämlich Investitionen, Arbeitsplätze, Konsum, Steuereinnahmen und… Verbesserungen des Leistungsbilanzsaldos.
 
Es ist ja nicht so, dass wir nicht helfen wollen
 
Ja, wir profitieren sehr von der Eurozone. Das soll nicht vergessen werden. Und so ist auch ein großzügiges Maß an Familienunterstützung gerechtfertigt. Aber diese Leistung erbringen wir bereits in hohem Maße. So wird der Rettungsschirm ab März zum Rettungszelt mit noch mehr Bürgschaften unsererseits. Denn für die eingeleitete Fiskalunion wird man Frau Merkel sicher eine Gegenleistung abverlangen. Auch haben wir durch die weitgehende Aufgabe der uns heiligen Stabilitätskriterien bereits einen hohen, auch emotionalen Preis gezahlt Die EZB darf stillschweigend Stabilitätssünden begehen, bei der jeder frühere Direktor der Bundesbank Bluthochdruck bekommen würde. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die faktische Finanzierung der deutschlandbezogenen Leistungsbilanzdefizite der Euro-Südzone über die Bundesbank (Target 2). Hier ist bereits ein Dispokredit von über 500 Mrd. Euro aufgelaufen, für die im Extremfall der deutsche Steuerzahler die Zeche zahlen muss.
 
Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen, aber er bestimmt auch, was gespielt wird
 
Deutschland hat die Musik bestellt, es hat den Euro gewollt. Insofern muss es die Musik auch bezahlen. Aber dann bestimmt man auch zu einem guten Stück, welche Musik gespielt wird. Und ich behaupte, dass man wirtschafts- und finanzpolitisch Einiges von Deutschland lernen kann. Deutschland muss insbesondere darauf achten, dass es andere Länder zu sich hoch zieht. Es bringt in der Eurozone niemandem Erfolg, wenn wir uns nach unten angleichen.
 
Also Leistung wird sich wieder lohnen. Dann klappt es auch mit dem Leistungsbilanzsaldo.

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